Tanja Praske hat zu einer Blogparade aufgerufen. Es geht um Kultur-Tipps, und hier ist meiner: die Ausstellung „Helene Schjerfbeck“ in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt.
Zuerst mal die Basics: Tanjas Aufruf finden Sie hier, und was eine Blogparade ist, habe ich hier erklärt. Warum empfehle ich gerade Helene Schjerfbeck (deren Namen man übrigens „Helen Scherfbeck“ spricht)? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Erstens habe ich bereits letzte Woche über das Digitorial berichtet, eine responsive Website, die inhaltlich in die Ausstellung einführt und den Anspruch hat, auf den Besuch vorzubereiten. Meiner Meinung nach eine sehr gute Idee! Zweitens hat mich die Ausstellung ehrlich beeindruckt. Dazu gleich mehr. Und drittens kommt Helene Schjerfbeck aus Finnland, und Finnland ist auch der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, die vom 8. bis 12. Oktober stattfinden wird. Wer dafür nach Frankfurt kommt, der möchte vielleicht nach der finnischen Literatur auch noch ein wenig finnische Kunst kennen lernen.
Viele wichtige Werke Schjerfbecks befinden sich in Privatsammlungen, daher ist es nicht unkompliziert, eine Ausstellung zu realisieren. Darüber hinaus wurde das Werk der schwedisch sprechenden Finnin nach ihrem Tod im Jahr 1946 mehr oder weniger vergessen, bis sie in den 1980ern wiederentdeckt wurde. Eine große Ausstellung ihres Schaffens hat es in Europa aber bereits gegeben: 2007 machte eine Retrospektive in Den Haag, Paris und Hamburg Station. Darum, so Anna-Maria von Bonsdorff, Direktorin des Ateneum Art Museum, grenzt sich die Ausstellung in der Schirn sich sehr bewusst vom biografischen Ansatz ab.
Es wäre leicht, in Schjerfbecks Werk eine Spiegelung ihres Lebens zu sehen – als Kind verletzte sie sich und behielt eine leichte Gehbehinderung zurück; über mehrere Jahrzehnte lebte sie abgeschieden. Sie erklärte auch selbst einmal, sie male sich selbst, da auf diese Weise das Modell immer zur Verfügung stünde. Wenn eine Ausstellung sich nun also auf Schjerfbecks Selbstporträts konzentriert, könnte man erwarten, eine Künstlerin in ihren verschiedenen Lebensphasen auf der Leinwand zu sehen. Das ist jedoch zu einfach gedacht – an einigen ihrer Selbstporträts arbeitete die Malerin über Jahre, im Extremfall dreizehn Jahre lang. Was man sieht, sind reduzierte, dadurch sehr konzentrierte Studien.
Nach dem Besuch der Ausstellung könnte ich Ihnen allerdings nicht sagen, welche Augenfarbe Helene Schjerfbeck hatte oder ob ich sie hübsch finde. Denn sie malt sich nicht als Individuum, sondern als Stereotyp. Hin und wieder hatte ich fast den Eindruck, als wollte sie sagen: „Schaut her – so malt man eine Frau!“ (Im Gegensatz zu: „Schaut her – das bin ich!“) Wenn sie andere Personen malt, ist die Darstellung manchmal so, dass man die Porträtierte vermutlich auf der Straße erkennen würde. Oft geht es aber auch hier um Typen, die „dunkle Dame“, „spanische Frau“ oder „Mädchen aus dem Dorf“ heißen. Sie haben kaum definierte Augen oder schauen nach unten – Kuratorin Carolin Köchling bezeichnet sie als „SurFaces“, weil ihre Gesichter sowohl der Malerin als auch dem Betrachter als Projektionsflächen dienen.
Es geht in der Ausstellung also um Helene Schjerfbeck und ihre Arbeitsweise, aber auch um die menschliche Gestalt, vielleicht sogar die conditio humana. Letztere kann nicht jeder darstellen – Helene Schjerfbeck tut es in einer Weise, die mich berührt, und deshalb ist diese Ausstellung mein Kultur-Tipp.
Liebe Tanja,
herzlichen Dank für die Besprechung der Ausstellung „Helene Schjerfbeck“ in der Schirn als Kultur-Tipp zu meiner Blogparade!
Ja, das Digitorial fasziniert mich. Ich bin gespannt, wie die Besucher bzw. Interessierten das neue Format aufnehmen. Die Künstlerin reizt mich auch sehr. Ich werde Mitte November in Frankfurt sein und schaffe es dann hoffenlich, mir die Ausstellung anzusehen.
Klasse finde ich die Parallele der Künstlerin zu Hannah Höch, die Astrid in ihrem Beitrag zu #KultTipp vorstellt – spannend. Zwei in etwa zeitgleich, doch sich verschieden artikulierende Künstlerinnen – toll!
Danke dir sehr herzlich!
Schöne Grüße aus München
Tanja
Liebe Tanja,
das ist in der Tat eine faszinierende Parallele!
Ich weiß, das „Museum von Babel“ ruft. 😉
Bis bald in Frankfurt,
Tanja