Jedes Gebäude hinterlässt seinen ganz eigenen Eindruck beim Betrachter, und noch stärker bei denjenigen, die es betreten, in ihm Zeit verbringen, leben oder arbeiten. Mein bisher intensivstes und ungewöhnliches Raumgefühl hatte ich vor Kurzem im Museum Tinguely in Basel, das gerade die Ausstellung „Belle Haleine – Duft der Kunst“ zeigt – und am Valentinstag zur Pheromonparty einlud!

Foto: Tanja Neumann

Foto: Tanja Neumann

 

Blogger auf Reisen

In Basel war ich im Rahmen einer von den Art & Design Museums Basel organisierten Bloggerreise. Wenn Sie mehr darüber lesen möchten, können Sie unter dem Hashtag #bsgauguinreise15 nach unseren Tweets und Instagram-Fotos suchen, meinen ersten Beitrag dazu lesen („Die Fondation Beyeler, Bloggerreisen und das Fotografieren im Museum“) oder bei Tanja Praske die Liste aller bisher erschienen Beiträge finden.

 

Exklusive Taschenlampenführung 

Aber nun zurück zum Museum Tinguely: Wir kamen dort am Abend des 14. Februar erst gegen Mitternacht an. Unser Ziel war die Pheromonparty, eine Veranstaltung im Rahmenprogramm der Ausstellung „Belle Haleine“. Trotz der fortgeschrittenen Stunde war der Direktor des Museums, Roland Wetzel, noch vor Ort und bot uns sofort eine Kurzführung durch die eigentlich bereits geschlossene Ausstellung an – wir ließen uns natürlich nicht lange bitten!

„Belle Haleine“ ist die erste Ausstellung in einer Reihe, die das Museum Tinguely in den kommenden Jahren realisieren will. Das Thema: die menschlichen Sinne. Bei „Belle Haleine“ geht es, wie der Name schon verrät, um den Geruchssinn. Dieser Aspekt spielt in musealen Kontexten meiner Wahrnehmung nach normalerweise keine Rolle, oder lediglich eine unfreiwillige – den Geruch von Farbe, manchmal auch Staub, den verwendeten Materialien oder zu vielen Menschen auf engem Raum kennen wir wohl alle. Im Museum Tinguely erwartete uns etwas gänzlich anderes, und das wurde bereits beim ersten Exponat glasklar. Herr Wetzel führte uns in einen kleinen Raum mit verschlossener Tür, der fürs Auge so gar nichts hergab: weiße, fleckig wirkende Wände, hier und da ein wenig Text.

Sissel Tolaas: "The FEAR of smell - the smell of FEAR", 2006 bis heute im Museum Tinguely. Foto: Tanja Neumann

Sissel Tolaas: „The FEAR of smell – the smell of FEAR“, 2006 bis heute im Museum Tinguely. Foto: Tanja Neumann

Die Ausstellung vereint Werke verschiedener Künstler, primär aus den letzten zwanzig Jahren, und ein solches hatten wir auch hier vor uns: Für „The FEAR of smell – the smell of FEAR“ sammelte die norwegische Künstlerin und Geruchsforscherin Sissel Tolaas seit 2006 ganz besondere Gerüche. Ursprünglich im Auftrag des MIT konservierte sie den Angstschweiß von elf phobischen Männern und brachte ihn nun im Museum Tinguely an die Wand. Interessant waren die Reaktionen darauf: Mir persönlich war schon beim Betreten des Zimmers klar, dass ich diesen Wänden nicht freiwillig zu nahe kommen würde, andere waren tatsächlich fähig, an den jeweiligen Duftflächen zu reiben, um so den Geruch freizusetzen. Und hier, an exakt dieser Stelle, hatte ich mein intensivstes #Raumgefühl aller Zeiten. Sie müssen sich dazu vorstellen, dass wir uns ja noch dazu in einer bereits geschlossenen Ausstellung befanden, in der nur noch die Fluchtwege beleuchtet waren. Zu dem Geruch und der Enge kam also auch noch die Taschenlampen-Atmosphäre… Eine quasi unschlagbare Kombination, aber noch lange nicht das letzte ganz besondere Raumgefühl des Abends, und deshalb erscheint dieser Beitrag auch im Rahmen der Blogparade „#Raumgefühl: Architektur denken“ von stadtsatz. Ich kann nur empfehlen, auch einen Blick auf die anderen Beiträge zu werfen – es ist eine spannende Mischung!

Unsere kleine Führung war nach den Phobikern noch nicht beendet. Mir sind besonders zwei weitere Installationen in Erinnerung geblieben; zuerst die „Fainting Couch“ von Valeska Soares. Eine harmlos aussehende Ruheliege im nüchternen Design, die ein Geheimnis birgt: Statt eines Bettkastens hat diese Liege ein Schubfach, in dem sich Stargazer-Lilien befinden – eine seltene, wunderschöne und sehr intensiv duftende Blumenart.

Und dann betraten wir eine große Halle mit sehr hoher Decke, in dem uns eine monumentale Installation des brasilianischen Künstlers Ernesto Neto erwartete: Über unseren Köpfen schwebte eine Art Baldachin, von der herab mit Gewürzen gefüllte Stoffsäcke baumelten, zwischen denen man sich bewegen durfte. „While nothing happens/Mentre niente accade“ riecht, man kann nicht mehr sagen „duftet“, nach Nelken, Kurkuma und Kreuzkümmel, und damit wussten wir endlich, warum das ganze Gebäude nach Nelken roch. Auch die Wirkung dieses Raums wurde zweifellos verstärkt durch die Tatsache, dass wir ihn in fast vollständiger Dunkelheit besuchten. (Einen Vergleich bei Tageslicht finden Sie hier.)

 Liebe geht durch die Nase

Nach einer Weile strichen wir die Segel – geruchsblind, fasziniert und gleichzeitig ein wenig überfordert (oder zumindest ging es mir so), und gingen nach oben zur Pheromonparty. Das Konzept: Man sollte ein getragenes Baumwoll-Shirt mitbringen, es in einen verschlossenen Plastikbeutel stecken und zu den anderen an die Wand hängen. Dort konnte man sich dann durch die Reihen schnuppern, und wenn einem ein Geruch gefiel, konnte man sich mit der nummerierten Tüte fotografieren lassen. Diese Fotos wurden ausgehängt, sodass die Besitzer der Shirts die Chance hatten zu sehen, wer Interesse an ihnen bekundet hatte, und eventuell ein Kennenlernen auf der Tanzfläche einzufädeln. Denn schließlich entscheiden ja nicht zuletzt die passenden Pheromone über die große Liebe…

 Ausblicke

„Belle Haleine“ ist noch bis zum 17. Mai geöffnet. Wenn Sie die Chance haben, rate ich dringend zum Besuch – und auch der Rest des Hauses, in dem die Werke von Jean Tinguely ausgestellt sind (kinetische Maschinenskulpturen, die oft verblüffend menschlich wirken) ist sicher sehr spannend. Mir blieb leider keine Zeit dafür, aber einen kleinen Eindruck bekamen wir bei der Stadtführung am nächsten Tag mit dem Tinguely-Brunnen… Seine Geschichte erzähle ich Ihnen in einem kommenden Beitrag zur Bloggerreise.

Tinguely-Brunnen. Foto: Tanja Neumann

Tinguely-Brunnen. Foto: Tanja Neumann

 

Update 13.03.2015: Inzwischen hat auch Angelika Schoder über ihre Eindrücke von „Belle Haleine“ gebloggt. Bitte hier entlang!

 

Disclaimer: Vielen Dank an die Art & Design Museums Basel für die Übernahme meiner Reisekosten und das Museum Tinguely für den freundlichen Empfang und die Fotoerlaubnis! Alle hier geäußerten Meinungen sind dennoch uneingeschränkt meine eigenen.