Vor einiger Zeit hatte ich das Vergnügen, in Basel die ersten interaktiven Bücher der Firma iart im Ausstellungseinsatz vorgeführt zu bekommen. Im interaktiven Buch verschmelzen die besten Eigenschaften mehrerer Medien: Die Haptik des Buchs erweckt das Vertrauen älterer Besucher, die Flexibilität von Touch-Steuerung und Projektion begeistert Jüngere und sorgt für eine große inhaltliche Bandbreite.
Neben den hochrangigen Werken von Paul Gauguin, von denen mehrere so zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden, hat die aktuelle Ausstellung in der Fondation Beyeler noch eine weitere Attraktion: den multimedialen Vermittlungsraum. Er wurde von der Firma iart gestaltet und ermöglicht den Besuchern auf vielschichtige Weise Einblicke in das Leben und Wirken des Künstlers. Dabei wird mit einem Farbcode gearbeitet: Privates ist grün, Zitate sind rot, Reisen blau und die Kunst erstrahlt in gelb.
Das Herzstück findet sich in der Mitte des Raums: die interaktiven Bücher. Es sind Bücher mit teilweise bedruckten Seiten, in denen der Besucher blättern kann. Im Gegensatz zu „normalen“ gedruckten Büchern sind sie jedoch kein statisches Medium, sondern leben von der Interaktion. Über eine Projektion werden neue Elemente nach und nach auf der Seite ergänzt, ganz so, wie der Nutzer es durch die Touch-Steuerung vorgibt. Und so fließt dann Wasser über die Seite, die Gemälde Gauguins gewinnen an Farbe und der Text verändert sich oder wechselt auf Verlangen die Sprache.
Wir hatten das Glück, die Bücher von Valentin Spiess, dem Geschäftsführer von iart, vorgeführt zu bekommen. Er beantwortete geduldig unsere neugierigen Fragen, sodass ich Ihnen jetzt ein wenig genauer erklären kann, warum mir ein einzelnes Element dieser schon an sich bemerkenswerten Ausstellung einen eigenen Beitrag wert ist. Zunächst die schlechten Neuigkeiten: Ja, die Entwicklung der Bücher war teuer. Im fünfstelligen Bereich, verriet man. Und sie hat eine Weile gedauert: Im September 2014 fand die Ausschreibung statt, zur Ausstellungseröffnung im Februar 2015 waren die Bücher dann fertig.
Aber es gibt auch gute Neuigkeiten: Jetzt, wo die interaktiven Bücher einmal entwickelt sind, könnten sie auch in anderen Ausstellungen zum Einsatz kommen. Die Inhalte wurden im CMS Drupal hinterlegt, dort könnte man durchaus auch andere einpflegen. Natürlich muss man die Projektoren an der Decke installieren, der Ton kommt aus dem Sockel, und die Touch-Sensoren befinden sich direkt in den Büchern. Ohne Budget wird also auch eine weitere Adaptation nicht auskommen. Ich wäre aber zuversichtlich, dass es geringer sein kann und die Umsetzung auch schneller geht.
Die Buchseiten selbst bestehen übrigens aus Tyvek, einem Material, dass für Museumsleute ein alter Bekannter sein dürfte. Sie sind deshalb recht strapazierfähig und sollten einige Monate überleben. Es ist laut Herrn Spiess auch recht unkompliziert möglich, verschlissene Seiten vor Ort nachdrucken zu lassen und im Buch zu ersetzen.
Wer sich für die Technik interessiert und ein interaktives Buch in Aktion sehen möchte, dem sei dieses Video empfohlen:
Ich würde mich freuen, demnächst auch in Deutschland interaktiven Büchern zu begegnen! Wer die Gelegenheit hat, nach Basel zu fahren, muss nicht auf zukünftige Umsetzungen warten: Die Ausstellung „Paul Gauguin“ ist noch bis 28. Juni in der Fondation Beyeler zu sehen und definitiv einen Besuch wert. Und auch im Netz gibt es mehr zu finden: Über die interaktiven Bücher gebloggt haben bereits Angelika Schoder, Wera Wecker und Tanja Praske. (Falls ich jemand vergessen habe, bitte melden!)
Disclaimer: Vielen Dank an die Art & Design Museums Basel für die Übernahme meiner Reisekosten und die Fondation Beyeler für den freundlichen Empfang! Alle hier geäußerten Meinungen sind dennoch uneingeschränkt meine eigenen.
Tanja Neumann
museums(t)raum
Liebe Tanja,
diese Bücher faszinieren einfach – sie sind auf einem beeindruckenden technologischen Niveau, doch dem Besucher erscheinen sie ganz unkompliziert und intuitiv bedienbar. So müssen gute multimediale Angebote in Museen funktionieren!
Danke auch fürs Verlinken!
Viele Grüße, Angelika
Liebe Angelika,
mir will gerade nicht einfallen, wer gesagt hat, die beste Technik sei die, die sich selbst unsichtbar mache – aber er hatte Recht, wie dieses Beispiel beweist. Ich finde diese Bücher Klasse und hoffe, sie noch öfter zu sehen!
Viele Grüße,
Tanja
In Deutschland gibt es diese Art der Bücher schon länger. Offensichtlich haben die Herren die Idee „übernommen“. Auf der Seite http://www.das-lebende-buch.de sind zahlreiche Umsetzungen auch für Museen zu sehen. Ein paar Seitengestaltungen erinnern sogar ziemlich stark an das deutsche Produkt… jajaja. Leider nix Neues.
Danke für den Hinweis! Die Beispiele sehen ähnlich, wenn auch nicht ganz genauso aus. Umso verblüffender, dass auch von den deutschen Bloggern noch niemand diese Bücher kannte oder auch nur davon gehört hatte…