Am Freitag, den 18. Oktober, begleitete ich als Twitter-Reporterin und Fotografin eine Gruppe, die sich in gänzlich ungewohnter Manier durch die Stadt bewegte.

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Noch bis Februar 2013 ist im Museum für Kommunikation Frankfurt, dessen Social Media-Auftritte ich bekanntlich betreue, die Ausstellung „Außer Kontrolle? Leben in einer überwachten Welt“ zu sehen. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Überwachung auf uns und unser Verhalten auswirkt, und für das Rahmenprogramm gibt es Unterstützung aus Österreich: Bereits 2009 hat die Künstlervereinigung „Social Impact“ in Linz das Konzept der überwachungsfreien Stadtführung entwickelt, die Deutschlandpremiere feierte „AUSBLENDEN“ im Kunstmuseum Stuttgart. Drei Scouts, erkennbar an ihren roten Anzügen, führen die Teilnehmer durch die Stadt. Das Ziel ist es, sich der Kameraüberwachung bewusst zu werden und ihr zu entgehen. Und bevor unsere Besucher an die Reihe kommen, nehmen einige Mitarbeiter des Museums an der Generalprobe teil.

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Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade „Mein faszinierendes Kulturerlebnis„, zu der Tanja Praske aufgerufen hat und die heute um Mitternacht endet. (Wer weiß, vielleicht ist es der letzte Beitrag, der in diesem Rahmen veröffentlicht wird?) Also, was war es denn nun, was am „Ausblenden“ faszinierte?

Für die Teilnehmer ist es sicher spannend. Für sie beginnt die Führung mit einer kleinen Bewusstseinsübung: Wie aufwendig ist es eigentlich, sich der Überwachung zu entziehen? Wer dachte, er hätte einen bequemen Spaziergang vor sich, wird eines Besseren belehrt. Über die „zivile“ Kleidung wird ein weißer Anzug gezogen – mit Kapuze, natürlich. Dazu kommen Knieschützer wie zum Rollschuh-Laufen, Schutzhandschuhe, eine Baseballkappe und eine kleine Tasche, in der sich Wasser und das nötigste Gepäck unterbringen lassen. Der krönende Abschluss ist ein spiegelnder Schild, der um den Arm geschnallt werden kann.

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Und dann geht es los, zunächst noch im Lichthof des Museums: Die Teilnehmer müssen sich mehrfach aufstellen. Nach der Größe, der Entfernung ihres Wohnortes vom Museum, dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens, usw. Danach geht es an die Formationsübungen: Sie lernen, jetzt sortiert nach der Körpergröße, den „Zug“, den „Doppelzug“, die „Schildkröte“ – und natürlich den Wechsel von einer Formation in die andere und zurück. Dann geht es nach draußen, und schon vor der Tür fühlen die ersten Passanten sich bemüßigt, Bemerkungen zu machen – teils neugierig, teils ablehnend, oft spöttisch.

Am Mainufer werden zunächst die Schilde zur Seite gestellt, und unter einer Brücke – wo uns keine Kamera erfasst – gibt es ein kleines Aufwärmtraining. Satellitenfangen, Schulterkreisen und Konsorten machen die Teilnehmer fit für den Marsch durch die Stadt. Für mich ist es eine kleine Verschnaufpause, denn ich habe auf dem kurzen Stück den Main entlang schon gemerkt, dass der Tag für mich eine Herausforderung wird. Für mich ist es nicht nur ein faszinierendes, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ein „bewegendes“ Kulturerlebnis: Einerseits macht das Beobachten auch mir klar, wie selbstverständlich wir die tägliche Überwachung hinnehmen, und wie wenig realistisch es im Alltag ist, sich ihr nicht auszuliefern. Andererseits ist da noch die logistische Herausforderung: Habt ihr schon mal im Joggen getwittert? Mit mehreren Accounts? Und zwischendurch versucht, Fotos mit eurer Spiegelreflexkamera zu machen? (Ohne eines der Geräte fallenzulassen, die Gruppe aus den Augen zu verlieren, die Accounts zu verwechseln oder völligen Unsinn zu schreiben, natürlich.) Ich kann euch sagen: Langweilig wurde mir nicht. Und wenn man gerade für sich einen Rhythmus gefunden hat, macht sich bemerkbar, dass Twitter ein interaktives Medium ist, und es kommt eine Frage von außen. Was total toll ist – mich in dem Moment aber wieder ganz leicht unter Stress setzt.

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Nachdem alle definitiv warm sind, werden die Schilde wieder umgeschnallt und es geht weiter. Vorbei an der ersten nicht so ganz legalen Kamera über den Eisernen Steg und auf den Römer. Dort wird ein Überwachungskreis gebildet (die Teilnehmer bilden einen Kreis, Rücken an Rücken, und beobachten über ihre Schilde hinweg die Zuschauer), und Christian Korherr weist mit seinem Megafon alle darauf hin, dass sie Zeugen eines Projekts „für eine ehrlichere und persönlichere Überwachung“ werden. Dann geht es mit der U-Bahn auf die Zeil, und was passiert im Eingangsbereich des MyZeil? Richtig, sie bilden einen Überwachungskreis. Genau unter den Kameras des Einkaufszentrums, versteht sich. Die Passanten reagieren teils konsterniert, viele sind verunsichert. Und verblüffend viele tun das Offensichtliche und fragen, was hier vor sich geht. „Ausblenden“ ist eine durch und durch dialogische Aktion.

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Danach joggen wir in ruhigere Seitenstraßen. Den Teilnehmern merkt man die Anstrengung inzwischen deutlich an. (Netterweise habe ich die Kamera, daher gibt es keine Beweise dafür, wie mitgenommen ich von der Aktion bin. 😉 ) Das Team von Social Impact läutet eine Verschnaufpause ein und bittet um Feedback; schließlich ist es die Generalprobe. Meine Kollegen erzählen, wie sie die Führung empfunden haben – mein deutlichster Eindruck sind ihre leuchtenden Augen.