In der Schirn Kunsthalle wird am 2. Oktober die Ausstellung „Helene Schjerfbeck“ eröffnet. Ein digitales Pilotprojekt in Sachen digitale Kulturvermittlung ist bereits gestartet: das Digitorial. Die responsive Website stellt Informationen, Bildmaterial und ein Tondokument zum Thema bereit. So soll es in Zukunft bei ausgewählten Ausstellungen in Schirn, Städel und Liebieghaus sein. (Das Städel wird seine Premiere Anfang 2015 haben.)

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Screenshot: Der Anfang des Digitorials über Helene Schjerfbeck

Die Idee

Eine responsive Website zur Ausstellung scheint zunächst vielleicht nicht allzu bemerkenswert, beziehen doch auch Museen zunehmend den Trend zur mobilen Datennutzung in ihre Strategie mit ein. Allerdings geht das Digitorial in Aufbereitung und Umfang weit über die übliche kurze Ankündigung auf der Website hinaus, und die drei beteiligten Häuser wollen damit eine Lücke im System schließen. „Viele Besucher waren bisher erst nach der Kataloglektüre oder einer Führung in der Lage, eine Ausstellung in all ihren Facetten zu genießen oder die Kunstwerke mit ihren unterschiedlichen Kontexten zu erfahren. Unser Anliegen ist es, mithilfe digitaler Technologien eine überall zugängliche und leicht rezipierbare Vorbereitung anzubieten“, so Direktor Max Hollein in der offiziellen Pressemitteilung.

Meine Erfahrung

Als Nicht-Kunsthistorikerin ging ich mit so gut wie keinem Vorwissen an die Sache heran. Ohne das Digiorial hätte ich mir in der Ausstellung die Gemälde von Helene Schjerfbeck anschauen und die Wandtexte lesen können. Aber wäre mir klar geworden, an welchen Vorbildern sie sich orientiert hat? An welchem Punkt in welchem Gemälde ihre Malweise zeitgemäß, in welchem eher ungewöhnlich ist? Vermutlich nicht. So etwas könnte ich nachträglich erfahren, wenn mich die Ausstellung so sehr beeindruckt hätte, dass ich den Katalog mit nach Hause nehmen und studieren würde. Aber dass ich dann ein zweites Mal, mit neuem Wissen gewappnet, die Ausstellung besuchen würde, ist leider eher unwahrscheinlich. Außerdem wäre da noch der finanzielle Aspekt: Der Katalog zur Ausstellung kostet 39,90 €.

Diesmal ist die Geschichte anders verlaufen: Ich habe mir das kostenlose Digitorial heruntergeladen und– größtenteils tatsächlich auf meinem Smartphone im Zug – zu Gemüte geführt. Geschätzt etwa eine Stunde lang habe ich Texte über Schjerfbecks Leben und Werk gelesen, mir einige ihrer Bilder oder Ausschnitte aus diesem angeschaut und einen Ausschnitt aus ihrer Korrespondenz angehört. Hätte ich weniger Zeit gehabt, hätte es mehrere Möglichkeiten der Verknappung gegeben: Von den meisten Texten wird nur der Anfang eingeblendet, wer mehr wissen möchte, kann den Rest ausklappen. Und das Symbol einer Lesebrille deutet an, wo es insbesondere zu den Bildern noch mehr Informationen gibt. Wer es eilig hat oder sich nur einen Überblick verschaffen will, der liest eben die Kurzform.

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Meine Lieblingsstelle im Digitorial: Hier kann man sich der Reihe nach Details erklären lassen

Das Digitorial schien mir informativ, aber auch unterhaltsam und leicht verständlich. Das Medium wird ziemlich gut genutzt – die Seite lässt sich auf dem Smartphone, dem Tablet und dem PC gut darstellen, die Navigation funktioniert auch überall. Einziger Wermutstropfen aus technischer Sicht: Hat man es am iPhone im Safari-Browser aufgerufen, kommt man nicht mehr zu den anderen Registerkarten zurück, es sei denn, man schließt die App durch Doppeltippen auf die Home-Taste komplett. Das ist nicht tragisch, aber wenn man zwischendurch schnell etwas suchen möchte, auch nicht richtig elegant.

Besonders gefallen haben mir die ansprechende grafische Gestaltung im Allgemeinen und die Detailansichten mit den Erklärungen dazu im Besonderen. So etwas ist in Kunstausstellungen selbst selten zu finden. Das Digitorial lädt auch in vernünftigem Tempo. Es dauert einen Moment, aber nur etwa zwischen einer halben Minute und einer Minute.

In einem Punkt kann ich noch nicht beurteilen, ob das Konzept funktioniert – ich war noch nicht in der Ausstellung. Die Eröffnung steht schließlich noch bevor. Aber ich bin optimistisch, denn ich könnte nun in groben Zügen die Lebensgeschichte der Künstlerin erzählen und auch etwas über ihre Arbeitsweise, ihren Stil und ihre Wirkung.

Fazit: Das Format Digitorial finde ich eine tolle Idee. Es macht Kultur im Netz zugänglich, und auf diesem Gebiet sind Museen in meinen Augen gefragt!