Vor einer Woche fand in Frankfurt die Tagung „Das Museum von Babel. Wissen und Wissensvermittlung in der digitalen Gesellschaft“ statt, und ich war mit einem Vortrag dabei. Da er vor Ort für hitzige Debatten sorgte, will ich das Thema gern hier noch einmal aufgreifen. Mein Titel war „Der vernetzte Besucher – Wie wird das Smartphone im Museum zur Bereicherung?“ Inspiriert wurde die Themenwahl durch meine regelmäßige Beobachtung, dass viele Museen, die man in sozialen Netzwerken anspricht, oft gar nicht, recht geringschätzig oder erst sehr viel später reagieren. Das ist schade, denn aus meiner Sicht verschwenden sie damit Chancen. (Es gibt aber auch eine steigende Zahl von Museen, die großartig reagieren!)
(Möchten Sie diesen Beitrag lieber hören als lesen? Dann bitte hier entlang zum Podcast.)
Mein Vortrag
Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 ermittelte, dass 50 % der Deutschen das mobile Internet nutzen. Am Diagramm sieht man, dass die Quote bei den jüngeren Deutschen zwar deutlich höher liegt, aber auch bei den Älteren ab 60 Jahren noch gut ein Fünftel im mobilen Internet unterwegs ist.
Die nächste Zahl ist etwas komplizierter: Ich wollte wissen, wie viele Deutsche in mindestens einem sozialen Netzwerk angemeldet sind. Da in jeder Studie anders definiert wird, welche dazuzählen, habe ich mich letzten Ende für die BITKOM als Quelle entschieden. Sie gibt, gerechnet auf alle deutschen Onliner (zur Zeit der Erfassung etwa drei Viertel der Deutschen) eine Quote von 74 % an. Auch hier sieht man, dass die Jüngeren stärker vertreten sind, aber auch hier wird deutlich, dass das Thema nicht ist, wer als Digital Native und wer als Digital Immigrant gilt. Der mobile Zugriff auf soziale Netzwerke ist ein Thema, das alle Generationen betrifft.
Daraus folgt für Museen, dass wir nicht mehr davon ausgehen können, dass unsere Besucher erst nach ihrem Besuch mit einigen ausgewählten Bekannten darüber sprechen und nur Journalisten Texte verfassen, die von anderen gelesen werden. Heute wird schon während des Museumsbesuchs darüber geschrieben – und zwar auf mehreren Ebenen. Unsere vernetzten Besucher werden privat kommunizieren (z.B. über WhatsApp und andere Messenger, aber auch via E-Mail und SMS), eventuell aber auch öffentlich. Auf welche Art sie das tun, und ob sie uns in das Gespräch einbeziehen, können wir teilweise mitbestimmen.
Schon in dem Moment, in dem unser vernetzter Besucher das Museum betritt, entscheidet sich manches. Eventuell checkt er auf Foursquare, Facebook oder einem anderen Dienst bei uns ein. Wenn wir Glück haben, twittert er seinen Check-in auch, sodass wir es mitbekommen können. In dem Fall können wir ihn begrüßen – und wenn es nur über das Favorisieren seines Check-in-Tweets sein sollte. Stellt er direkt eine Frage, können wir natürlich direkt mit ihm ins Gespräch kommen. Auf diese Art weiß er auch, dass wir ihn wahrnehmen. Wenn er dagegen das Haus betritt und ein Handy-Verbotsschild sieht, zwingen wir ihn, heimlich zu kommunizieren, und zwar über uns statt mit uns. Denn nicht zu kommunizieren ist für viele keine Option mehr. Es ist zu einem Grundbedürfnis geworden, seine Eindrücke direkt dem eigenen Netzwerk mitzuteilen.
Online gelten für Gespräche im Wesentlichen dieselben Regeln wie offline; auch im Netz wird leichter über Abwesende gelästert. Wenn wir also abwesend sind und Besucher veranlassen, über uns statt mit uns zu sprechen, kann das leichter negativ ausfallen. Kommuniziert unser vernetzter Besucher sein Missfallen an uns öffentlich, werden sich vermutlich andere finden, die sich an unserer Stelle mit ihm unterhalten – und es kann leicht geschehen, dass sie sich darin einig werden, unser Verhalten unhöflich zu finden. Sie fühlen sich dann selbst nicht mehr genötigt, höflich zu bleiben. Die Wortmeldungen werden immer deutlicher; im Extremfall geht das bis zur offenen Beleidigung.
Das sollte natürlich nicht geschehen – und die gute Nachricht ist, wir können es in den meisten Fällen verhindern. Indem wir uns in das Gespräch einklinken. Wenn wir die Anliegen, die unsere Besucher im Netz äußern, genauso ernst nehmen und ebenso höflich und zuvorkommend behandeln, wie wir das tun würden, wenn sie uns vor Ort ansprechen würden, werden sie auch wohlwollender uns gegenüber sein. Im Idealfall entspinnt sich sogar ein nettes Gespräch, und sie werden einen guten Eindruck von uns behalten. Auf diese Art kann man in vielen Fällen durch konstante Beziehungsarbeit Fürsprecher und Multiplikatoren gewinnen; und genau darin liegt das Potenzial vernetzter Besucher für Museen. Das ist der Grund, warum viele Häuser heute Tweetups veranstalten und Blogger Relations auf ihrer To Do-Liste haben. Solche Veranstaltungen, die gezielt vernetzte Besucher adressieren, können punktuell die Reichweite des Museums in den sozialen Netzwerken enorm steigern und langfristig dem Beziehungsaufbau und der Vernetzung dienen. Sie sind daher ein wertvolles Instrument; aber das ist der zweite Schritt. Erst wenn die Basis gemeistert ist – der tägliche souveräne Umgang mit den Wortmeldungen vernetzter Besucher im Netz -, dann können sie Erfolg haben. Jemand, den wir gestern noch auf Twitter ignoriert und damit vor den Kopf gestoßen haben, wird morgen nicht an unserem Blogger-Treffen teilnehmen und für uns Werbung machen wollen. Nicht mal, wenn er dafür einen Goodie Bag bekommt.
Die Reaktionen
Beginnen wir mit den Reaktionen via Twitter. (Mir ist bewusst, dass Eigenlob stinkt und ich eigentlich nichts Neues oder Revolutionäres gesagt habe. Das Einfügen von zwei Tweets als Beispiel scheint mir an dieser Stelle nötig, um den Kontrast zwischen dem Echo im Netz und dem vor Ort deutlich zu machen.)
@TanjaNeumann Spricht klartext. Sehr gut. #MuseumBabel
— Holger Simon (@HolgSimon) November 13, 2014
#MuseumBabel #P3 @TanjaNeumann hat hier schön den Staub durchgewirbelt… DANKE!
— Athanasios Mazarakis (@warfair) November 13, 2014
Dann wären da die Reaktionen vor Ort. Ich werte positiv, dass es viele waren. In der Diskussion, die sich eigentlich auf alle vier Vorträge des Panels beziehen sollte, entfiel der Löwenanteil der Fragen und Einwände auf mich. Hier die Hauptargumente:
1. „Wenn die dann negativ über uns reden, melden wir uns bei diesen Social Media doch gar nicht erst an!“
Können Sie machen. Das hindert die Leute aber nicht daran, über Sie zu reden – Sie nehmen sich nur selbst die Chance, mitzureden.
2. „Das ist doch ganz schön unverschämt von diesen vernetzten Besuchern. Im Museum können Sie als Besucher doch auch nicht jederzeit den Direktor sprechen!“
Stimmt. Aber es ist auch in den seltensten Fällen der Direktor, der twittert. Und wenn Ihre Besucher vor Ort Fragen haben oder mit den Museumsführern/dem Aufsichtspersonal/dem Ticketverkäufer sprechen wollen, setze ich mal voraus, dass diese Antwort geben!
3. „Wie sollen kleine Museen das denn machen? Für die Großen ist das ja einfach, aber wir können doch nicht überall angemeldet sein!“
Richtig. Allerdings ist das kein spezifisches Social Media-Problem. Kleinere Häuser haben es schwerer, Ausstellungen auf dem Stand der Technik zu machen, verwenden für Forschung, Öffentlichkeitsarbeit etc. geringere Mittel – also natürlich auch in den sozialen Medien. Es ist aber auch nicht nötig, überall angemeldet und aktiv zu sein. Man kann auch mit Alerts arbeiten und/oder jemanden, der besser vernetzt ist, bitten, ein Auge darauf zu haben.
4. „Ich hasse das, wenn diese Jugendlichen auf ihren Smartphones rumdrücken. Im Museum haben die nichts zu suchen!“
Wenn Sie eine neue Technologie nicht mögen, bringt sie das nicht zum Verschwinden. Wie wir eingangs gesehen haben, ist die Smartphone-Nutzung eine Realität – und zwar nicht nur bei Jugendlichen. Und auch im Museum kann ihre Benutzung durchaus Sinn machen. Statt sie pauschal zu verbieten, sollten wir lieber vermitteln, in welchen Situationen welche Aktivitäten damit okay sind. Im Museum dürfen keine Handys klingeln. Wer sie aber lautlos benutzt, etwa um sich Notizen zu machen oder Exponate zu fotografieren, belästigt aus meiner Sicht damit niemanden. (Während meines Vortrags und der darauf folgenden Diskussion klingelten übrigens mehrere Handys. Keins davon gehörte einem Jugendlichen, und schon gar nicht einem der anwesenden Twitterer. Das ist auch eine Form von Medienkompetenz.)
5. „Aber da müssen Sie ja jederzeit den Direktor erreichen können! Sie können doch nicht eigenmächtig nach außen kommunizieren!“
Wenn Ihr Pressereferent jedes Mal den Direktor einbeziehen muss, bevor er ans Telefon geht, und wenn ihre Besucherbetreuer ihn jedes Mal kontaktieren müssen, bevor sie Fragen von Besuchern beantworten, dann haben Sie Recht. Wenn Sie darauf vertrauen können, dass die Mitarbeiter Ihres Hauses ihren Job beherrschen und wissen, wann sie sich rückversichern müssen und wann sie selbständig handeln können, dann sind auch Fragen in den sozialen Medien selten ein Problem.
6. „Wie soll das denn zeitlich funktionieren? Wenn man da auch am Wochenende reagieren muss, muss das ja im Arbeitsvertrag festgehalten werden!“
Ein sehr guter Hinweis! Ja, wenn Social Media zu Ihrem Aufgabenbereich im Museum gehören, dann sollte das auch in Ihrem Arbeitsvertrag stehen. Sie sollten dann dafür qualifiziert sein oder die Möglichkeit zur Weiterbildung bekommen, es sollte geregelt sein, wofür Sie ggf. haftbar sind (und wofür nicht), und Sie sollten flexible Arbeitszeiten haben. Mir ist bewusst, dass das selten der Fall ist. Aber das sollte sich ändern.
So, und jetzt sind haben Sie das Wort. Wenn Sie über Ihre Erfahrungen mit vernetzten Besuchern berichten möchten oder meine Argumentation kritisieren, bitte gern! Lesen Sie nur bitte vorher noch diesen Beitrag von Tanja Praske – unbedingt inklusive der Kommentare.
Liebe Tanja,
vielen Dank für diesen Blogbeitrag. Jetzt wäre ich noch viel lieber auf der Tagung gewesen… Die Vorbehalte sind interessant, manche sind nachvollziehbar (Personal- und Zeitressourcen), andere zeugen von Unkenntnis.
Was mir jedoch fehlt, das wäre eine genaue Unteruchung darüber, wer tatsächlich SoMe im Museum nutzen will und was erwartet wird. Meiner Kenntnis nach gibt es hierüber noch sehr wenig Erkenntnisse. Dass viele Deutsche im mobilen Netz unterwegs sind und bei SoMe angemeldet sind, heißt noch lange nicht, dass genau diese Mischujng auch im Museum vorhanden ist und verrät uns auch nichts darüber, wo der Erwartungshorizont liegt. Ich bin mir zwar sicher, dass es eine relevante Gruppe gibt, die hier Aktivitäten und Angebote vin Museen erwartet, aber man müsste da mal eine vernünftige Studie dazu machen. Falls es die allerdings schon gibt und ich sie nur nicht kenne, dann freue ich mich über Hinweise.
Grüße
Markus
Lieber Markus,
danke für deinen Kommentar! Leider ist mir eine solche Studie nicht bekannt, ich würde sie aber auch sehr gerne lesen. In der Zwischenzeit ziehe ich meine Erfahrung durch das Betreuen der Accounts des Museums für Kommunikation Frankfurt und die generelle Beobachtung der „Szene“ zu Rate, und davon ausgehend behaupte ich mal, dass es nicht wenige vernetzte Besucher gibt. Das wird sicher auch von Museum zu Museum verschieden sein, aber ich würde mich wundern, wenn es sie irgendwo gar nicht gäbe. Bei uns ist es so, dass man bei jeder Abendveranstaltung, die entfernt zur Diskussion anregen könnte (seien es Ausstellungseröffnungen, Podiumsdiskussionen oder andere), den Twitter-Stream im Auge behalten sollte. Und es vergeht kaum mal ein Wochenende, ohne dass Fragen über Facebook auftauchen. Die Tendenz ist insgesamt steigend.
Was den Erwartungshorizont betrifft: Die meisten Menschen, die das Bedürfnis entwickeln, mit dem Museum bzw. einem seiner Vertreter zu sprechen, verlangen dabei nicht viel Engagement von uns… Oft haben sie organisatorische oder inhaltliche Fragen, manchmal möchten sie uns auf etwas, das im Museum oder außerhalb geschieht, hinweisen; und in vielen Fällen haben sie einfach das Bedürfnis, sich für die schöne Zeit zu bedanken, die sie bei uns verbracht haben. Nur im Einzelfall gibt es tatsächlich komplexe oder gar brisante Themen. Das ähnelt sehr den Gesprächen, die auch vor Ort stattfinden. Es ist nur eben so, dass mancher lieber übers Netz kommuniziert. Außerdem beobachte ich eine Häufung solcher Kontaktaufnahmen an Tagen, an denen es im Museum voll war – dann will man wohl die Kollegen vor Ort nicht „belasten“ und sucht nach anderen Möglichkeiten zum Austausch.
Ich bin sehr gespannt, welche Erfahrungen ihr mit diesem Phänomen nach der Eröffnung machen werdet – es würde mich nicht wundern, wenn es viele Kontaktaufnahmen über soziale Netzwerke gäbe. Schließlich weiß man heute schon, dass ihr dort auch tatsächlich zu erreichen seid…
Viele Grüße,
Tanja
Liebe Tanja,
ein prima Post und genau richtig! Jep, gerade um die sechs Punkte entbrannte im Auditorium die Diskussion und es gab auch die Stimmen, die auf die Wirklichkeit hinwiesen. Das Digitale ist nun mal schon längst im Realen angelangt.
Es funktioniert nicht so, wie bei den drei Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen – dann ist alles gut. Oder wie die Museumsdame es im Deutschlandfunk meinte, dann überlege sie ernsthaft, ob sie damit überhaupt anfangen solle, wenn es um eine permanente Verfügbarkeit im Netz geht: http://www.deutschlandfunk.de/digitalisierung-das-museum-der-zukunft.1148.de.html?dram:article_id=303923
Im Netz wird gehört, gesagt und gesehen. Das Museum kann hier entscheiden, möchte ich moderieren, mich tatsächlich austauschen, Anregungen für die museologische Arbeit finden, oder nicht? Die Stimmen im Netz gibt es unabhängig davon, wie du zurecht beschreibst.
Eine Twitterwall auf #MuseumBabel wäre sehr angebracht gewesen, dann hätte das Auditorium vor Ort sehen können, oha, wir sind zwar nicht im Netz, das Netz ist aber bei uns. Das hätte jedenfalls jede Menge Diskussionsstoff bereitgehalten.
Nachdenkenswert in dem Kontext ist der Kommentar von Laura Geissler, Community Managerin vom Städelmuseum, bei mir drüben(danke für die Verlinkung): „Es dauert seine Zeit, Erfahrungen zu sammeln und zu verstehen, wie die Social Media funktionieren – doch je länger man damit wartet, wird es wahrscheinlich immer schwerer, einzusteigen.“
Weiter so, Tanja!
Herzlich,
Tanja 🙂
Liebe Tanja,
danke für deinen Kommentar und die Unterstützung, sowohl vor Ort als auch jetzt! Ich kann mich dem, was du sagst, nur anschließen. Eigentlich sind Besucher, die moderne Kommunikationstechnologien beherrschen, ein Geschenk für Museen – wenn sie sie willkommen heißen, statt in Panik zu verfallen.
Eine Twitterwall vor Ort hätte ich mir auch gewünscht – aus mehreren Gründen. 😉 Aber bis dahin halten wir uns an den Kommentar von Laura Geissler und hoffen, dass er Gehör findet.
Danke und Grüße,
Tanja 🙂
Liebe Tanja,
vielen Dank für deinen sehr anregenden Beitrag, der mir in seiner Konsequenz gefällt. Was mich doch erschreckt, ist der Gegenwind darauf. Ehrlich gesagt, dachte ich, wir (Museen) wären da schon weiter. Für mich rührt das an eine Basisfrage: Freue ich mich über BesucherInnen? Ich sage bewusst „freuen“ und nicht „Kann/soll/muss ich mit jeder/jedem Besucher/in kommunizieren – und was, wenn’s kritisch wird etc.?“ Es geht schlicht um eine Grundhaltung musealer Arbeit: Offenheit, Neugier und die Lust an der Begegnung. Anders ausgedrückt: Ich backe doch keinen Kuchen für mich selber. Und nicht der Kuchen legitimiert meine Arbeit, sondern das gemeinsame Kuchenessen.
Was mich befremdet, ist, dass manche tun, als wären in den sozialen Netzwerken irgendwie komische, also ganz andere Menschen unterwegs als in unseren Museen, ja, manchmal könnte man fast meinen, dass da irgendwelche Außerirdischen gefährliche Fragen stellen könnten. Zurückgefragt: Auf welchem Planeten leben wir, und wer ist denn hier eigentlich „nicht von dieser Welt“? Twitterer & Co. sind doch auch Menschen aus Fleisch und Blut und Hirn – letzteres mal mehr, mal weniger wie jede/r andere Museumsbesucher/in auch. Nervensägen und Deppen gibt es hier wie dort, aber die restlichen 99 % freuen sich doch, wenn wir ihnen mit Freude im Foyer, in der Ausstellung oder eben in sozialen Netzwerken begegnen. Höchste Zeit, das mal post-dogmatischer zu sehen.
Natürlich hat Markus recht, wenn er schreibt, dass deine Wünsche/Forderungen personell in vielen Museen an Grenzen stoßen. Das macht aber die Forderungen nicht falsch (der Hinweis auf die Arbeitsverträge ist hier natürlich sehr richtig, auch Berufsbilder in Museen müssten hier mal grundsätzlich überdacht werden). Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man auch mit wenig Personal ein bißchen was reißen kann. Man wird vielleicht nicht gleich das ganz große Rad drehen und auch nicht gleich zum Super-Benchmark, aber ein paar FreundInnen gewinnt man täglich. Und die kann man doch immer brauchen. Vielleicht tauchen ja doch mal ein paar „Feinde“ auf 🙂
Herzlichen Gruß
Martin
twitter: @lindenmuseum
Lieber Martin,
vielen Dank für deinen Kommentar! Die Reaktionen auf den Vortrag haben mich auch teilweise erschreckt. Man muss sich ja auch noch zu Gemüte führen, dass ich ihn im Panel „Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit“ gehalten habe, also eigentlich da, wo die Spezialisten saßen… Ein solcher Gegenwind entspricht nicht (mehr) meinen Erfahrungen der letzten Jahre, mit Ausnahme leider der Tagungen, auf denen der Anteil an Direktoren, Abteilungsleitern und damit eben auch älteren Teilnehmern hoch ist.
Was die generelle Haltung gegenüber Besuchern und Fans bzw. Followern betrifft, triffst du meiner Ansicht nach den Nagel auf den Kopf. Ich nehme es auch so wahr, dass das auch online zum größten Teil sehr nette Menschen sind, für die wir eben auch verantwortlich sind, weil wir sie ja zu uns eingeladen haben und auf sie angewiesen sind. Wenn sie dann mit uns sprechen wollen, ist das der ganz normale Lauf der Welt und doch schlussendlich etwas Schönes.
In Bezug auf Berufsbilder und Arbeitsverträge muss sicher noch viel passieren. Natürlich ist es irgendwie nicht fair, wenn alle geregelte Arbeitszeiten haben, und nur der arme Social Media-Beauftragte auch unbezahlt in seiner Freizeit arbeiten soll. Als Kultureinrichtung muss man in meinen Augen gar nicht den Anspruch haben, Benchmarks zu erreichen. Das ist die Kür, darum kann man sich bemühen, wenn die Basis da ist. Denn du hast vollkommen Recht – Freunde kann man immer gebrauchen…
Viele Grüße,
Tanja
Lieber Martin,
wunderbar, wenn wir uns innerhalb eines Frankfurter Blogs unterhalten. Ich halte die Forderungen natürlich für völlig gerechtfertigt. Ich sehe halt nur die Ressourcen-probleme ganz konkret bei uns selber. Ich hatte es im blog von Tanja Praske bereits thematisiert, das solche Fragen nur gelöst werden können, wenn die Museen insgesamt ihre Struktur und ihr Verständnis über ihre Arbeit verändern. Ich finde die von Dir gewählten Bilder über den Umgang mit Besuchern wirklich sehr gut und es wäre wünschenswert, wenn wir das alle so in unserer Arbeit leben würden.
Wir Museen müssen uns generell mehr öffnen und unsere Augen und Ohren auf vielen Kanälen offen halten.
Beste Grüße aus dem Tagblattturm.
Markus
Ja, Markus, einfach gut, dass du nur im Tagblattturm und nicht im Elfenbeinturm residierst!
Martin
Liebe Tanja,
vielen Dank, dass Du deine Eindrücke der Tagung verbloggt hast! Ich hatte bereits den Twitter-Feed sehr gespannt verfolgt. Ich bin allerdings auch sehr erschrocken über die Einwände, die Du aus dem Plenum bekommen hast.
Ich kann auch nur sagen, dass es meinem Arbeitsalltag widerspricht. Beim Marta Museum haben wir viele Fans/Follower, die ganz offensichtlich regelmäßig das Haus besuchen. Das zeigt sich immer wieder in Kommentaren und Beiträgen, die sich auf ganz konkrete Veranstaltungen beziehen. Und ich kann auch nur immer wieder sagen Anfangen lohnt sich für jedes Museum.
Deinen Hinweis zu den Arbeitsverträgen finde ich sehr gute und ich finde die Arbeit die man am Wochenende oder Abends noch hat hält sich in Grenzen. Und auf 1-2 Kommentare Samstags oder Sonntags zu reagieren finde ich völlig in Ordnung. Nun habe ich auch definitiv das Glück das mein Arbeitgeber die gleiche Vorstellung von Vertrauen hat und sich darauf verlässt, dass ich meine flexiblen Zeiten auch nutze und nicht einfach als Freizeit verstehe. Aber das gehört eben auch dazu, dass man seinen Mitarbeitern vertraut und sich auf sie verlässt. Das ist vielleicht auch ein Teil des „Kontrollverlustes“ der zu Social Media gehört und nicht nur die Nutzer betrifft 😉
Liebe Grüße aus Münster
Liebe Michelle,
Danke für diesen schönen Bericht darüber, wie es funktionieren kann! Wie schon gesagt, ich war selbst überrascht über die heftigen Reaktionen. Aber es entspricht dem Geist, der zum Beispiel auch jedes Jahr auf der Tagung des Museumsbundes herrscht. Da ist man sich auch bewusst, dass es Twitter gibt, will aber lieber nicht zu genau wissen, was da vor sich geht.
Mir drängt sich immer mehr der Gedanke auf, dass dieses Thema die Museumswelt doch in zwei Lager spaltet, und ich hoffe, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist…
Liebe Grüße,
Tanja
Liebe Tanja,
danke für den Beitrag. Ich war nicht auf der Tagung und habe die Reaktionen auf Deinen Vortrag also verpasst, kann aber so manches aus Museumssicht nachvollziehen. Ich setze mich im historischen museum dafür ein, dass sich auch der vernetzte Besucher bei uns wohlfühlt – und die Betonung liegt bei „auch“. Ich finde die Frage nach dem Erwartungshorizont richtig: wir bekommen täglich viele Anfragen per Mail oder per Post. Die beantworten wir alle, manchmal muss dafür auch noch etwas recherchiert werden. Und dass der vernetzte Besucher dann doch die Antwort/Reaktion sofort haben möchte, setzt uns personell schon stark unter Druck. Da reicht es auch nicht, das Berufsbild zu ändern – (um die Anmerkung von Martin vom Lindenmuseum aufzunehmen: das Berufsbild etwa der Kuratorin hat sich in den letzten Jahren schon sehr stark gewandelt), sondern man muss doch alles im Blick haben. Social Media ist ein Baustein, der im Museum genutzt werden sollte, nicht mehr und nicht weniger. Mehr Studien dazu wären wirklich sehr hilfreich – auch um die eigenen Kapazitäten besser einschätzen zu können!
schöne Grüße,
Nina
Liebe Nina,
Danke für diesen wichtigen Einwand. Das habe ich hier nicht geschrieben, im Vortrag aber erwähnt: Auch für den vernetzten Besucher gelten natürlich die Regeln der Höflichkeit. Dass jemand eine Antwort sofort braucht, kann mal vorkommen (genau wie bei Hilferufen per Mail oder am Telefon), aber prinzipiell sollte sich das im vernünftigen Rahmen bewegen. Ich erzählte die Anekdote, wie jemand den Museumsaccount am Ostersonntag nach 23 Uhr quasi im Minutentakt nach einem Link antwitterte (zur Berichterstattung über eine Veranstaltung, die Wochen vorher stattgefunden hatte), und ich ihn frohe Ostern wünschte und Antwort am Dienstagmorgen versprach.
Insbesondere bei komplexeren Anliegen finde ich es auch im Social Web vollkommen legitim, erstmal mit einem „Wir kümmern uns drum“ zu antworten. Ich habe auch noch nie erlebt, dass das nicht akzeptiert wurde. Dass man als Museumsmitarbeiter noch anderes zu tun hat, verstehen die meisten. Ungute Reaktionen gibt es nur mit relativer Sicherheit, wenn man gar nicht reagiert – und da seid ihr ja nun keine Kandidaten! Im Gegenteil taucht ihr eigentlich in allen meiner Best Practice-Zusammenstellungen auf.
Als Baustein kann man Social Media bezeichnen… Persönlich tendiere ich eher dazu, es als Symptom eines Paradigmenwechsels zu betrachten. Wir erleben in vielen Bereichen, dass der Trend hin zur Individualisierung und Customization (gibt’s dafür eigentlich schon ein deutsches Wort ;-)?) geht. Dazu passen die Kontakte zwischen Einzelnen und der Institution auf dieser Ebene…
Liebe Grüße,
Tanja
Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, bei diesen Einwänden einfach nur Gegenargumente zu finden bzw. darauf hinzuweisen, dass etwas wirklich ein Problem sei. Würden wir sie alle lösen können, kämen vermutlich schnell sechs neue Gründe dazu, warum das (mobile) Internet so gefährlich für den Kulturbetrieb ist und das alles nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen.
Vielleicht ist es viel zielführender, sich über das Management von Kulturbetrieben Gedanken zu machen? Welche Abläufe gibt es im gesamten Betrieb, wer ist daran beteiligt, wer muss informiert werden und wer trägt die Verantwortung? Zeichnen wir diese Abläufe einfach mal auf und überlegen uns dann, ob wir diese Abläufe nicht gerne verändern würden und was nötig wäre, sie zu verändern? Meist ist die Visualisierung solcher Probleme schon der erste Schritt zur Lösung des Problems, weil wir es zum ersten Mal benennen müssen und vor uns sehen.
Die sechs genannten Punkte sind ja im Grunde genommen keine Argumente gegen Social Media, sondern beschreiben eigene Befindlichkeiten und Haltungen. Daran müssen wir arbeiten, nicht an den Symptomen dieser Haltung.
Lieber Christian,
Danke für deinen Kommentar! Du hast natürlich vollkommen Recht damit, dass wir mit solchen Diskussionen (und auch Vorträgen) immer nur die Symptome behandeln und nicht zur Wurzel des Problems vordringen. Um Social Media sinnvoll einzusetzen und daraus mehr als eine weitere Marketingmaßnahme zu machen, bräuchte man eine ganz andere Kultur in den betreffenden Institutionen. Diese Strukturen aufzuzeichnen ist ein wichtiger Punkt – wenn ein Haus mich zum Workshop einlädt, versuche ich das immer. Es funktioniert aber eben nur für den Einzelfall, und oft stoße ich da schon auf „Na ja, das müssen wir dann intern sehen, das betrifft Sie ja jetzt nicht“.
Wenn du Vorschläge hast, wie man solche grundlegenden Veränderungen auf einer breiteren Basis herbeiführen könnte, ohne Direktor oder Politiker zu sein – count me in. Ich würde sehr gern erleben, dass sich etwas ändert, gerade weil ich auch sehe, wie viele Museumsmitarbeiter sich damit quälen.
Liebe Grüße,
Tanja
Liebe Tanja,
vielen Dank für die Einblicke in diese spannende Konferenz! Mir sind solche und ähnliche Argumente auch schon oft begegnet. Viele Museen haben noch Angst vor dem Neuen, während andere schon in ganz anderen Dimensionen denken. Der Trick ist, Social Media nicht als anstrengenden Vollzeitjob zu sehen, sondern als weiteren Kanal – wie Post, E-Mails, Lokalzeitungen, Radio, TV -, den man regelmäßig im Auge behalten sollte. Und wie du schon schreibst, reicht es am Wochenende oder abends ein schnelles, höfliches „Wir kümmern uns darum“ zu senden, wenn man die Nachricht zufällig sieht. Am Wochenende wird in den Museen ohnehin gearbeitet. Ich glaube, die meisten Social Media-Nutzer sind rundum zufrieden, wenn sie innerhalb eines Tages eine freundliche Antwort erhalten. Ich würde den Museen empfehlen, dass ähnlich wie E-Mails anzugehen…
Viele Grüße,
Marlene
Liebe Marlene,
vielen Dank für deinen Kommentar! Eine derart souveräne und unaufgeregte Vorgehensweise wäre sicher wünschenswert. Die Zeit wird helfen, hoffe ich…
Viele Grüße,
Tanja