Am letzten Novemberwochenende war ich von der Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe Tourismus und den Art & Design Museums Basel zu einer Bloggerreise eingeladen. Am Samstag war unser erstes kulturelles Highlight eine Führung durch die Ausstellung „DEGAS – Klassik und Experiment“, die noch bis zum 15. Februar 2015 in der Kunsthalle, über deren Dauerausstellung ich bereits berichtet habe, zu sehen ist.
Dem Werk von Edgar Degas (1834-1917) wurde eine klassische Kunstausstellung gewidmet, die ich aber aufgrund der Bilder selbst und nicht zuletzt dank der großartigen Führung sehr gern angeschaut habe. (Man darf nicht unterschätzen, wie schwierig es ist, Blogger, Twitterer oder Journalisten durch eine Ausstellung zu führen. Der Eine bleibt zurück und fotografiert in aller Ruhe, die Nächste macht sich Notizen oder geht schon vor in den nächsten Raum, und nur selten baut mal jemand Blickkontakt zum Guide auf. Damit muss man umgehen können!)
Die Kunsthalle selbst besitzt sieben Werke Degas‘, die restliche Ausstellung setzt sich aus Leihgaben von anderen Museen und Privatsammlungen zusammen. Die Ausstellung verdankt ihren Titel „Klassik und Experiment“ der Tatsache, dass Edgar Degas seine Inspiration aus verschiedenen Quellen bezog. Den roten Faden bekommt die Ausstellung laut Kurator Dr. Alexander Eiling durch Degas‘ intensive Kopiertätigkeit, an der sich die Geister scheiden: „Kopieren hat in Deutschland einen negativen Beigeschmack. In Frankreich dagegen wird die Kopie nicht als etwas Negatives empfunden. Vielmehr garantiert die Kopie den Zugang zu höheren künstlerischen Weihen.“ (Zitat aus einem Interview mit dem Kurator, das der Pressemappe beiliegt.) Dieses Thema kam auch beim Tweetup der Kulturkonsorten in der Ausstellung immer wieder auf – zum Bericht darüber bitte hier entlang.
Die Kopien sind jedoch nicht immer exakte Übernahmen eines Gemäldes oder einer Bildidee – Degas eignet sich die Vorbilder an, nach denen er arbeitet, und überträgt sie auch gern in seine Zeit oder fügt ihnen Elemente eines anderen Stils hinzu. Denn Degas ist weit mehr als ein Kopist; er beobachtet auch sehr genau das Leben in Paris und dokumentiert andere Kunstformen wie das Ballett, aber auch die Revue oder die Café-Concerts, wie etwa der Karlsruher Fächer (s.o.) belegt. Gleichzeitig ist er sich auch anderer Stile bewusst und experimentiert gern mit ihnen; so finden sich in zahlreichen Werken Elemente der japanischen Malerei. Auch mit der Fotografie setzt Degas sich künstlerisch auseinander. In einem Porträt, das die Schwestern Giulia und Giovanna Bellelli zeigt, verleiht er Giulia verschwommene Züge – mutmaßlich, weil das quirlige Mädchen in einer Fotografie ebenfalls nicht scharf hätte abgebildet werden können. (Ich habe leider versäumt, dieses Gemälde zu fotografieren – Sie können es sich aber im Bericht von Viviana d’Angelo anschauen. Eine Reflektion des Fotografieverbots in der Ausstellung und seiner Folgen finden Sie bei Tine Nowak.)
Nicht fehlen dürfen natürlich auch die Ballerina-Darstellungen, die Degas häufig malte und für teures Geld verkaufte. Wie unser Guide betonte, sind auch diese Darstellungen, die selten den Auftritt, sondern meist das Aufwärmen oder ähnliche scheinbar banale Szenen zeigen, nicht spontan entstanden. Im Gegenteil fertigt Degas grundsätzlich zahlreiche Vorstudien an; sein Bildaufbau ist sorgfältig durchkomponiert. Es wäre jedoch sehr schade, wenn man den Pariser Maler auf dieses Sujet reduzieren würde – er hat noch so viel mehr erschaffen!
Sehr schön fand ich, dass uns während der gesamten Führung auch Isabel Koch, die in der Kunsthalle den Bereich Social Media betreut, begleitete. Auf diese Art blieben wir mit ihr im Gespräch, und sie konnte uns fortlaufend sagen, welche Werke wir fotografieren durften bzw. wo die Absprache mit dem Leihgeber das leider nicht gestattete. Nach unserem Besuch in der Ausstellung kamen wir noch mit unserem Guide Moritz Thinnes ins Gespräch – über die Ausstellung, aber auch darüber, was wir als Blogger dort eigentlich taten. Dazu hatte er mir schon während des Rundgangs hin und wieder Fragen gestellt, was ich sehr sympathisch fand. Bei der abschließenden Diskussion war er es, der vorschlug, eine Art Twittersprechstunde einzurichten, in der Besucher oder Interessierte von außerhalb vom Fachwissen der Guides profitieren könnten. Eine sehr schöne Idee, wie ich finde! Ich habe ähnliche Vorschläge bereits in anderen Museen gemacht; meistens scheint man der Meinung zu sein, dass es die Führungskräfte überfordern würde. Schön zu hören, dass zumindest manche durchaus bereit wären, sich auf das Wagnis einzulassen.
Die Ausstellung selbst ist sicher vor allem für die „Großen“ konzipiert; mit Hilfe einer kleinen Broschüre, des Audioguides und einer App kann man sich vermutlich auch ohne Führung vieles recht gut erschließen. Beeindruckt hat mich aber, dass es auch für die „Kleinen“ ein fantastisches Programm gibt: Im Nachbargebäude findet sich die „Junge Kunsthalle“, in der die Begleitausstellung „Wie malt Degas?“ viel Raum zum Ausprobieren lässt.
In einem Raum kann man sich selbst in ein Gemälde Degas‘ hineinbegeben (und natürlich fotografieren lassen):
Der nächste Raum präsentiert die von Degas favorisierten Maltechniken und ermöglicht es, selbst mit der Komposition eines Bildes zu experimentieren:
Im ersten Stock gibt es schließlich mehrere Ateliers. Einige können von Gruppen genutzt werden, um selbst zu malen und zu klecksen – in einem geschützten Bereich, in dem man sich keine Sorgen um das Interieur des Museums oder das dort erforderliche gute Benehmen machen muss. Nebenan haben sich drei Künstler – alle Absolventen der Karlsruher Kunstakademie – eingerichtet. Sie lassen sich während der Laufzeit der Ausstellung auf verschiedene Weise von Degas inspirieren und bringen damit den Besuchern noch einmal neue Facetten näher.
Insgesamt kann ich den Besuch der Kunsthalle und der Degas-Ausstellung jedem Karlsruher oder Karlsruhe-Reisenden sehr empfehlen. Ein schönes, sympathisches Museum, in dem man sich wohlfühlen und in entspannter Atmosphäre Kunst tanken kann!
Vor der Tür verabschiedeten wir uns schließlich von Isabell Koch und läuteten das individuelle Nachmittagsprogramm ein. Vier von uns fuhren zum ZKM – Viviana hat bereits darüber gebloggt, ich werde in meinem nächsten Beitrag zur Bloggerreise über die Ausstellung „ZKM_Gameplay“ schreiben.
Aktuell erscheinen fortlaufend Beiträge zur Bloggerreise bei allen Beteiligten. Sie finden sie über den Hashtag #kbreise14 oder auf den Blogs von Viviana d’Angelo, Klaus Graf, Tine Nowak und Angelika Schoder. Wenn alle Beiträge erschienen sind, wird es hier eine Special Edition der „Sonntagslektüre“ geben.
Disclaimer: Vielen Dank an die Veranstalter der Bloggerreise für die Übernahme meiner Reisekosten! Alle hier geäußerten Meinungen sind dennoch uneingeschränkt meine eigenen.
Wie produktiv das Nachgespräch mit Moritz Thinnes war, kann ich nur unterstützen. Ich weiß gar nicht, warum mir selbst das entfallen war. Das hätte noch zu meinen „Gefällt mir“-Punkten gehört. Und ich habe eben noch gesehen, dass Du ja das Magnetbild fotografiert hattest. Muss ich gleich mal als Verlinkung in meinen Text nachholen, da illustriert sich sehr schnell, was ich nur kurz beschreiben konnte.
Hey!
Ist doch irgendwie beruhigend, dass wir nicht alle dieselben Aspekte rausgreifen. 🙂
LG
Hallo Tanja,
kann es sein, dass wir alle von der Jungen Kunsthalle besonders begeistert waren? 😉
Ich persönlich hätte es auch schön gefunden, wenn man beide Ausstellungen etwas gemischt hätte. Der eher konventionellen Ausstellung im Haupthaus hätte eine Auflockerung durch die interaktiven Elemente sehr gut getan, wie ich finde. Und wie man bei uns gemerkt hat: Auch Erwachsene haben Lust, im Museum ein bisschen „in Aktion“ zu treten. Mit dem Magnetbild, das man bei dir auf dem letzten Foto sieht, hätte ich mich ewig beschäftigen können… 🙂
Viele Grüße
Angelika
Hallo Angelika,
ja, ich glaube, da waren wir uns ganz einig. 🙂 Was das Mischen angeht, gebe ich dir Recht – wobei ich es auch schön fand, dass die Junge Kunsthalle so eine Art Experimentierfeld ist, in dem man sich nicht notwendigerweise an die Museumsregeln halten muss. Ein wenig mehr Interaktion täte den meisten Kunstausstellungen gut…
Viele Grüße,
Tanja