Die erste der Jubiläumsausstellungen, die ich gesehen habe, befindet sich direkt im Erdgeschoss: „Land der Bilder“. Hier wird die Geschichte der Multimedialen Sammlungen erzählt. Gut gefallen hat mir daran das Zusammenspiel von alt und neu, gut zu sehen zum Beispiel an den Aktenschränken in der Mitte des Raums: Wenn man die Schubladen der alten/auf alt getrimmten (?) Aktenschränken aufzieht, kommen von unten beleuchtete Reproduktionen von Fotos zum Vorschein.
Wenn man danach dem Rundgang folgt, kommt man in der Neuen Galerie zuerst in das neu eröffnete BRUSEUM. Wie der Name schon sagt, ist es dem in Graz lebenden Aktionskünstler Günter Brus gewidmet. Es verfügt über eine eigene Sammlung und Ausstellungsfläche.
Im Zentrum von Brus‘ künstlerischem Schaffen steht die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, in immer radikaler werdenden Aktionen bemalt und verletzt er sich selbst. Diese Phase endet mit der Zerreißprobe. Da eine weitere Steigerung ohne fatale Folgen nicht mehr möglich scheint, verlegt Brus sich auf zeichnerische und schriftstellerische Arbeiten, deren Fokus jedoch ebenfalls auf dem menschlichen Körper liegt. In der Ausstellung wurde seinen zumeist provozierenden und/oder schockierenden Arbeiten viel Raum zum Wirken gegeben und es wurde viel mit Zitaten des Künstlers gearbeitet, was für ein Verständnis vielleicht förderlicher ist als eine externe Kommentierung. Ergänzende Texte gibt es, wo sie nötig sind, aber mir ist positiv aufgefallen, wie zurückhaltend damit umgegangen wurde.
Persönlich werde ich wohl nicht mehr zum Fan von Günter Brus – für meinen Geschmack fließt in seinem Werk einfach zu viel Blut, sei es nun real oder imaginär. Ich musste fast schon lachen, als ich vor der Videoinstallation im letzten Raum der Ausstellung den Hinweis entdeckte, die gezeigten Inhalte könnten Kinder und Jugendliche unter 16 schockieren. Deshalb gibt es hier auch nur Fotos vom Eingang – wer mehr sehen will, muss hingehen. 😉
Die nächste Station im Rundgang durch die Neue Galerie ist die Jubiläumsausstellung Moderne: Selbstmord der Kunst?. Vereinfacht gesagt wird untersucht, wie gemalte Repräsentationen durch Objekte ersetzt wurden. Im ersten Raum werden systematisch je zwei Objekte einander gegenübergestellt: ein Gemälde und ein Objekt (objets trouvés, Ready Mades etc.). In den folgenden Räumen wird die Entwicklung in einer sehr stringenten Struktur am Beispiel von zehn Aspekten künstlerischen Schaffens durchgespielt: Linie, Farbe, Licht, Ton, Bewegung, Landschaft, Stillleben, Interieur, Körper, Interaktion. Soweit ich sehen konnte, stammen alle ausgestellten Objekte aus den Sammlungen des Joanneums, und es handelt sich durchgängig um sehr hochkarätige Werke.
Im obersten Stockwerk der Neuen Galerie kommen wir zur letzten Ausstellung, die gleichzeitig mein persönlicher Favorit ist: Hans Hollein. Hier wird das Lebenswerk des Österreichers beleuchtet, der als Architekt zu Weltruhm gelangte. Besonders gefreut habe ich mich, ein Modell des „Tortenstücks“, des Museums für Moderne Kunst Frankfurt, zu sehen.
Gemäß seinem Motto „Alles ist Architektur“ betätigte Hollein sich auch als Künstler, Designer und Ausstellungsgestalter. Ausgestellt sind daher nicht nur Zeichnungen und Modelle, sondern beispielsweise auch Vasen und ein Wagen, der aus Teilen von sanitären Anlagen zusammengesetzt wurde. Gefallen hat mir die Ausstellung nicht nur wegen der Objekte, die schön, originell und oft überraschend sind, oder wegen des Zusammenspiels von Entwurfszeichnungen, Modellen und den Fotos realisierter Gebäude, sondern auch aufgrund der gelungenen Bespielung des Raums. Wandabwicklung und frei stehende Vitrinen ergänzen und kontextualisieren sich, ohne sich gegenseitig die Aufmerksamkeit streitig zu machen.
Nach vier beeindruckenden Ausstellungen war ich eigentlich schon fast erschlagen von den ganzen Eindrücken, doch der Rundgang hat noch eine weitere Station zu bieten: die neuen Räumlichkeiten der Steiermärkischen Landesbibliothek. Der Neubau bietet Platz für 1.000.000 Bücher, sodass über den aktuellen Bestand von 700.000 Stück hinaus noch Raum für Neuanschaffungen bleibt. Die Regale waren noch nicht bestückt und das Ganze hatte noch diesen gewissen Baustellen-Charme, doch es war bereits zu erkennen, dass die Bibliothek ein angenehmer Ort für Lektüre und Recherche werden wird.